Feldpost im Zweiten Weltkrieg
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Fremde im Visier - Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg

Abb.: Foto Nr.74: "Die Minenprobe" aus der Serie
"Vom Donez zum Don", 1942 Privatbesitz

Rund 150 Fotoalben aus Privatbesitz - Leihgaben von ehemaligen Wehrmachtssoldaten und ihren Angehörigen aus Norddeutschland - sowie Alben aus Museen und Archiven bilden die Basis der Ausstellung.

Das Stadtmuseum Jena zeigt sie in erweiterter Form mit Knipserfotos und Alben aus privaten Thüringer Beständen. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts von Dr. Petra Bopp an den Universitäten Oldenburg (Professor Dr. Detlef Hoffmann) und Jena (Prof. Dr. Norbert Frei).

Siebzig Jahre nach Kriegsbeginn verhandeln die nachfolgenden Generationen intensiver denn je die Nachlässe und Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie geht man mit den oft verheimlichten Fotoarchiven, aufbewahrt in Schränken und Schubladen, ihrer Familien um?

Die Ausstellung "Fremde im Visier- Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg" bietet Lesarten und Sichtweisen für ein tieferes Verständnis dieser Bildarchive an. Sie zeigt die Blicke deutscher Soldaten auf fremde Menschen, Land-schaften und Kulturdenkmale in den besetzten Ländern. Dabei werden nicht nur die Motive und die Bildästhetik der Fotos untersucht, sondern auch der Einfluss der Kriegspropaganda auf die Amateurfotografie.

Im Jahr 1939 besaßen rund zehn Prozent aller Deutschen einen eigenen Fotoapparat. Der Aufforderung des Propagandaministeriums, die Kamera auch im Krieg nicht ruhen zu lassen, folgten viele Soldaten bereitwillig. Neben den Feldpostbriefen sollten auch die Knipserfotos der Soldaten den Zusammenhalt zwischen Front und Heimat stärken. Die Familien bewahrten die Bilder der Abwesenden sorgfältig im heimatlichen Wohnzimmer auf.

Anordnung und Kommentierung verweisen auf die subjektiven Konstruktionen von Kriegserinnerungen. Sie machen deutlich, wie der Krieg gesehen wurde, nicht, wie er war. Viele Konvolute folgen dem historischen Kriegsverlauf: Überfall auf Polen 1939, "Blitzkrieg" an der Westfront 1940 und Vernichtungskrieg im Osten ab 1941.

Deutlich weniger fotografiert wurde auf dem Rückzug 1943 bis 1945. Von der Kriegsgefangenschaft sind nur wenige Fotos aus englischen Lagern in Nordafrika und aus sowjetischen Lagern überliefert.

Zu Beginn fotografierten die Soldaten Kameraderie und militärischen Alltag in der Kaserne und präsentierten stolz die erste Uniform auf professionellen AtelIierportraits. In den besetzten Ländern und an der Front richtete sich die Kamera nicht nur auf die Zerstörungen der Wehrmacht, sondern auch auf die flüchtende Zivilbevölkerung und die Kriegsgefangenen. Wiederholten viele Fotos den touristischen Blick, so war die Sichtweise auf das Fremde auch durch die rassistische NS-Bildpropaganda geprägt. So zeigen die fotografierenden Soldaten zwar keine authentischeren Bilder der Front aber doch eine differenziertere Perspektive als "Bildberichter" im Dienst der Propagandakompanien, deren Bilder die offizielle Sicht auf den Krieg dominierten. Die Soldaten tauschten intensiv ihre Fotos untereinander, so dass die Alben verschiedene Wahrnehmungen des Krieges widerspiegeln. Hinter den zunächst harmlos wirkenden Knipserfotos scheinen Unsicherheit und Angst, aber auch Gewalt und Zerstörung durch Kampfhandlungen auf.

Die Individualität der Kriegserzählungen und der persönlichen Schicksale wird häufig auf den letzten AIbenseiten deutlich. Tod, Verwundung oder Gefangennahme lassen die Bilder abrupt versiegen, es bleiben leere Seiten. Das Gruppenbild mit der Familie symbolisiert die Heimkehr, Fotos von Kameradschaftstreffen führen das Kriegsalbum bis in die 1950er Jahre fort.

Die Ausstellung zeigt Originalalben, Schwarz-Weiß-Reproduktionen sowie Dia- und Filmprojektionen. Sie setzt sich mit der Intimität dieser Fotografien im individuellen Erfahrungsraum des Albums auseinander. Die Intentionen der Fotografen werden in Interviews mit drei Protagonisten deutlich. Die Ästhetik der Knipser- und Amateurfotografien des Krieges wird in dieser Ausstellung im Zusammenhang mit ihrem Entstehungskontext thematisiert. Sie präsentiert eine private Bildgeschichte des Zweiten Weltkriegs.

Kuratorinnen: Dr. Petra Bopp, Sandra Starke